So schön, prestigiös und spannend die Forschung auch ist: Die Dauerstellen sind rar gesäht, und Forschende spielen früher oder später mit dem Gedanken, sich ein berufliches Biotop außerhalb der Wissenschaft zu schaffen. Doch wo anfangen? Und, wie kriegt man sich und seine an Inselbegabung anmutenden Spezialfähigkeiten anschlussfähig präsentiert? Wer eine berufliche Neuorientierung plant, dem fällt es oftmals am Anfang schwer, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen. 

Während eines Workshops fragte mich eine Physikerin, wie sie ihren Ausstieg angehen sollte. Sie arbeitete in der akademischen medizinischen Forschung und überlegte, ob sie in der universitären Wissenschaft bleiben oder in die Industrie wechseln sollte. Wir schrieben eine Weile hin und her, so entstand dieser Artikel. 

Für Wissenschaftler:innen, die das universitäre Umfeld verlassen wollen, empfehle ich gerne und aus vollem Herzen das Beratungsangebot von Dr. Sandra Jansen und ihren Podcast Leaving Academia. Sie kennt sich mit den inneren Vorurteilen, hinderlichen Glaubenssätzen aber auch den Anforderungen auf dem Jobmarkt außerhalb der Wissenschaft aus und macht Beratung für den Jobwechsel. 

Neurorientierung starten: Überschneidungen entdecken

Ich finde, die Kombination aus Physik und Medizin bietet enorme Möglichkeiten, die für viele Arbeitgeber hochinteressant sind. Doch wo genau könnte sich die Physikerin bewerben? Hier sind nur einige Überschneidungen des Themas Medizin und Physik für potenzielle Arbeitsfelder und Strategien für den Übergang in die Industrie.

Die Überschneidung von Physik und Medizin eröffnet eine Vielzahl an Branchen und Fachbereichen, die von Physiker:innen stark profitieren können:

  1. Strahlentherapie – Entwicklung und Optimierung von Bestrahlungstechniken für die Krebstherapie.
  2. Radiologie und Nuklearmedizin – Bildgebende Verfahren wie CT, MRT oder PET-Scanner.
  3. Physikalische Biologie – Schnittstelle zwischen Physik und Biowissenschaften, z. B. in der Molekular- oder Zellbiophysik.
  4. Medizinische Bildgebung – Entwicklung von Mikroskopen, Endoskopen und anderen optischen Instrumenten.
  5. Medizintechnologie – Laseroptische Systeme, Messgeräte, bildgebende Diagnostik, EEG, TMS, Bioimpedanz, …
  6. Laborgeräte-Hersteller – Mikroskope, Spektrometer, Analysegeräte und viele mehr…

Ein einfacher, aber effektiver Ansatz: Ein Blick in gut ausgestattete Labore, OPs oder Arztpraxen. Einfach durchgehen und Markennamen mitschreiben. Die Hersteller der dortigen Geräte sind potenzielle Arbeitgeber! Bekannte Unternehmen in diesen Bereichen sind unter anderem:

  • Siemens Healthineers
  • GE Healthcare
  • Karl Storz
  • Leica Microsystems
  • BD (Becton Dickinson)
  • Tecan und noch gaaaaaanz viele mehr. 

Die Bewerbungsstrategie kann hier also gezielt auf Firmen abgestimmt werden, die an den Schnittstellen zwischen Medizin und Physik arbeiten.

Bonusfrage: Wie sieht das in deinem Feld aus? 

Kompetenzbasierter Ansatz: Was bringe ich mit?

Neben der thematischen Orientierung ist es hilfreich, sich auf die eigenen Stärken und Kompetenzen zu fokussieren. Physiker:innen haben oft folgende Fähigkeiten, die in der Industrie geschätzt werden:

  • Analytisches Denken – Wichtige Voraussetzung für komplexe Problemlösungen.
  • Datenverarbeitung & Programmierung – Erfahrung mit Simulationen, Algorithmen oder maschinellem Lernen.
  • Projektmanagement & Führung – Organisation und Koordination von Forschungsteams.
  • Technische Kommunikation – Vermittlung komplexer Inhalte an interdisziplinäre Teams.

Falls bestimmte Kompetenzen noch nicht formal nachgewiesen sind, können gezielte Fortbildungen sinnvoll sein. Universitäre Career-Center bieten oft Kurse zu Projektmanagement, Führung oder Qualitätsmanagement an. Zertifikate aus diesen Bereichen können die Bewerbungsunterlagen abrunden. Gerade, wenn bis zu einer geplanten Veränderungen noch Monate oder Jahre vergehen, kann man den Lebenslauf noch wunderbar aufhübschen. 

Zusätzliche Qualifikationen und Weiterbildungsmöglichkeiten

Wer den Wechsel in die Industrie plant, kann durch Weiterbildungen seine Chancen verbessern. Hier lohnt der Blick in die Veranstaltungskataloge von „Career Centers“, die es an vielen Universitäten gibt. Beispiele hierfür sind:

  • Qualitätsmanagement (ISO 9001) – Zertifizierte QM-Ausbildung, oft über das Arbeitsamt förderbar.
  • Studienleitung für klinische Forschung und Pharmastudien – Weiterbildung für die Leitung von klinischen Studien.
  • Entrepreneurship-Kurse – Falls eine Gründung in Betracht gezogen wird.
  • Führung und Projektmanagement – Vielleicht gibt es passende Kurse, die dir ein Zertifikat bereitstellen. 

Diese Weiterbildungen machen sich gut im Lebenslauf, solange sie zu den eigenen Interessen und Stärken passen. Obacht: Wer nur aus finanziellen Gründen in einen Bereich wechselt, läuft Gefahr, langfristig unzufrieden zu sein. Wenn du dich für stark formalisierte Berufszweite entscheidest, also QM oder Pharmastudien, solltest du wirklich Freude an Zahlen und Tabellen haben.

Einfach mal starten und den eigenen Weg finden: Neuorientierung pragmatisch

Wichtig ist es, einfach mal anzufangen! Wer mit dem Gedanken spielt, in die Industrie zu wechseln, sollte erste Schritte unternehmen: Stellenausschreibungen anschauen, mögliche Arbeitgeber recherchieren und überlegen, welche Firmen interessant sein könnten – auch kleine, spezialisierte Unternehmen. Manche davon sind auf den ersten Blick nicht leicht zu finden, doch sie bieten oft spannende Möglichkeiten. Initiativbewerbungen sind ebenfalls eine Option.

Sobald man einmal angefangen hat, ergibt sich vieles im Tun. Entscheidend ist, regelmäßig innezuhalten und zu reflektieren:

  • Was traue ich mir aktuell zu?
  • Was ist mein nächster, machbarer Schritt?
  • Welche Hürden oder Zweifel habe ich – und woher kommen sie?
  • Sind meine Herausforderungen tatsächlich individuell oder vielleicht strukturell bedingt?

Manche Menschen finden ihren Weg allein, andere wünschen sich Unterstützung. Externe Begleitung kann helfen, schneller Klarheit zu gewinnen und verborgene Möglichkeiten zu erkennen. Eine tolle Anlaufstelle für Wissenschaftler:innen, die aus der akademischen Forschung in die Industrie wechseln möchten, ist Dr. Sandra Jansen mit ihrem Programm Leaving Academia. Sie bietet einen Newsletter, einen Podcast, einen Online-Kurs und Coaching an – speziell für Geisteswissenschaftler:innen, aber auch für andere Fachrichtungen mit ähnlichen Herausforderungen.

Wenn du dir eine individuelle Beratung wünschst, kannst du dich auch direkt an mich wenden. Ich begleite Wissenschaftler:innen und Mediziner:innen dabei, ihren Karriereweg bewusst und selbstbestimmt zu gestalten. Sprich mich gerne an!

Netzwerken & Bewerbungsstrategie

Ein effektiver Weg in die Industrie führt über Kontakte. LinkedIn ist hier ein mächtiges Tool:

  • Firmen folgen und deren Mitarbeitende recherchieren.
  • Kontakte zu Personen aufbauen, die bereits in diesen Bereichen arbeiten.
  • Direkte Fragen stellen: Wie bist du in die Branche gekommen? Welche Fähigkeiten waren für deine Einstellung ausschlaggebend?

Auch Headhunter können hilfreich sein, da viele Unternehmen gezielt nach Fachkräften suchen. Fachportale und Stellenausschreibungen bieten zusätzlich einen Einblick, welche Qualifikationen aktuell gefragt sind. LinkedIn ist aktuell gerade das am stärksten wachsende berufliche Netzwerk, auch im deutschsprachigen Raum, und ich kenne es am besten, daher würde ich jetzt dazu tendieren. 

dein Netzwerk schafft Vitamin B

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Erfolgreiche Bewerbung: Storytelling nutzen

Eine Bewerbung sollte mehr sein als nur eine Auflistung von Qualifikationen. Entscheidend ist die Passung zwischen den eigenen Stärken und den Bedürfnissen des potenziellen Arbeitgebers. Storytelling hilft dabei:

  • Wie passt meine bisherige Erfahrung genau zu den Anforderungen der Stelle?
  • Welche Erfolge und Projekte zeigen, dass ich für diesen Job geeignet bin?
  • Wie kann ich meine Fähigkeiten so darstellen, dass sie einen klaren Mehrwert für das Unternehmen bieten?

Durch eine strategische Bewerbungsplanung, gezielte Weiterbildung und Networking lassen sich die Chancen auf einen erfolgreichen Wechsel von der akademischen Forschung in die Industrie erheblich steigern. Denk dran, das berühmt berüchtigte Vitamin B kann man auch selbst bilden – nämlich durch aktives Netzwerken.

Die Physikerin hatte mehrere Jahre Erfahrung als Fitness Trainerin und Sport Managerin und war sich unsicher, ob sie es in einer Bewerbung erwähnen sollte. 

Ich würde sagen: Was will die Ausschreibung? Gibt es Kompetenzen, die beim Hobbys erworben wurden, die dort gefragt sind? Wie ließe sich das in eine griffige Story verweben?

Kompetenzen benennen und verweben

Mach eine Liste, mit 15 Kompetenzen, die du erworben hast – ich sehe da ganz viel im Punkt Leading und Führungsqualitäten, ggf. sogar Change 

– Leute fürs Dran bleiben motivieren

– Visionen kommunizieren

– Stärken erkennen und benennen

– Hilfestellungen geben und den nächsten machbaren Schritt erkennen und gestalten

– individuelle Pläne und Ziele identifizieren

– individuelle Bedürfnisse ausarbeiten (Beratung)

– gute Stimmung schaffen 

– was fällt dir noch ein?

– ein Team formen

– …

Bonusfrage: Hast du ein Hobby? Suche 15 Kompetenzen, die du dort erworben hast und die beruflich vermarktbar sind. 

Hobby in Kompetenzen verwandeln für Neuorientierung

Kurz oder lang – so unterscheidest du dich von deinen Mitbewerber:innen

Die Form der Lebensläufe kann je nach Kultur sehr unterschiedlich sein. Internationale Lebensläufe fangen beim aktuellsten an und sind in der Regel sehr kurz und ästhetisch, in Deutschland sind die Lebnsläufe immer noch zumeist chronologisch geordnet und Listen alle Diplome und Zertifikate auf. Für was solltest du dich entscheiden?

Eine generelle Antwort kann ich gar nicht geben: Kommt drauf an – optimaler Weise hattest du persönlich mindestens telefonisch vorher Kontakt zur:m Personaler: in, dann kannst du fragen, was sie gerne hätten.

Ich finde den Blick hilfreich: Wie kannst du einen Unterschied machen in einem Stapel von 100 Bewerbungen?

Alles würde ich nicht erzählen, aber eine kreative Auswahl mit Dingen, die illustrieren, dass du gut auf die Stelle passt – und das ist wieder Story Telling – siehe oben. Ich finde, man kann ja bei den absurdesten Sachen die interessantesten Dinge gelernt haben. 

Zwei Optionen: 

Eher Kurz, nur das Wichtigste: 

Würde ich dann machen, wenn du persönlich schon gut bekannt bist. 

Eher etwas länger und ausfühlicher:

Wenn man dich noch nicht kennt, da darf es auch mal ein paar Seiten lang sein. Alles dient dazu, dich ins beste Licht zu setzen, gerade, wenn du keine Berufsanfängerin mehr bist. 

Ein gutes Strickmuster für den Lebenslauf und das Anschreiben nimmt dann viel Bezug zur Auschreibung, zum Leitbild der Firma etc. und zur Position und Aufgabenbeschreibung.

Ich hab immer da Bild einer Skulptur vor Augen: Deine Karriere ist ein Block Stein – und je nachdem, welche Story und welche Kompetenzen du heraus meißelst, ist es mal ein Tiger und mal ein Baum – das ist alles in dem Block drin (und alles wahr). 

Fazit

Der Ausstieg kann bunter sein als gedacht. Schüttet die Schwere ab und werd kreativ und Netzwerke dich zu deinem nächsten Traumjob hin. Du möchstest das nicht alleine machen? Vereinbare dein Gratis-Kennenlerngespräch.

Wie sieht es bei dir aus? Wie verwebst du deine bisherigen Qualifikationen mit neuen Anforderungen und hältst deine Employability hoch?

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