Ja…. eine akademische Karriere wäre ja schon toll. Doktor, erste PostDoc Phase fast zu Ende, Verlängerung schon in Aussicht – aber wirklich, jetzt schon auf eine Professur bewerben? Na, das wäre vielleicht was für in zwei Jahren.
Da sag ich als Coachin meist: „STOP!“.
Wenn es dich interessiert, fang früher an, dein Portfolio strategisch auszurichten.
Umschwenken in die Industrie kannst du immer noch – zu einem späteren Zeitpunkt Vomitus-artig irgendwelche Qualifikationen aus dem Hut zaubern möglicherweise nicht.
Wichtig: Für dich relevante Professur-Ausschreibungen z.B. im Newsletter des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) identifizieren und mal testweise den Hut in den Ring schmeißen. Wie immer – Erfahrung sammeln…
“Ich bin doch noch nicht soweit” – oder?
Wenn du Wissenschaftlerin oder Postdoc bist und dich grundsätzlich für eine akademische Karriere interessierst, dann kennst du diesen Gedanken vielleicht: „Ich bräuchte erst noch mehr Publikationen … oder Drittmittel … oder überhaupt erstmal eine Chance …“
In meinen Coachings höre ich diesen Satz häufig – und genauso häufig sage ich: Warte nicht zu lange, um dir die Option „Professur“ ernsthaft anzuschauen.
Denn viele nehmen diese Perspektive – auf eine Professur bewerben – erst ins Visier, wenn es eigentlich schon ziemlich spät ist. Und das ist schade. Denn:
- Berufungsverfahren brauchen Zeit. Viel Zeit.
- Für Juniorprofessuren gelten oft niedrigere Zugangshürden.
- Es gibt attraktive Alternativen zur klassischen Universitätslaufbahn – z. B. HAW-Professuren.
Also: Wenn du ein grundsätzliches Ja zur Wissenschaft spürst, fang früh an, dich zu positionieren. Selbst wenn du dich später umentscheidest – du hast dann wertvolle Erfahrungen gesammelt.
Nimm an einer Berufungskommission teil!
Das ist mein absoluter Lieblings-Tipp für alle, die sich mit dem Gedanken an eine Professur tragen: Setz dich mal in eine Berufungskommission.
Auch wenn du noch Promovierende bist oder gerade erst mit der Postdoc-Phase startest – mach’s einfach. So bekommst du tiefe Einblicke in den Prozess:
- Wie laufen Ausschreibungen ab?
- Welche Fristen gelten?
- Wer sitzt mit am Tisch?
- Was wird bei den Bewerbungen genau angeschaut?
- Wie funktioniert das „Vorsingen“ – und was passiert eigentlich hinter den Kulissen?
Denn ja – es gibt Machtspielchen. Und ja – manchmal wird die Reihenfolge auf der Berufungsliste nicht allein nach Leistung entschieden.
Wenn du einmal in so eine Kommission reingeschnuppert hast, wirst du…
- wissen, was eine Synopse ist (mehr dazu gleich),
- mit realistischeren Erwartungen in eigene Professur – Bewerbungen gehen,
- dich weniger frustrieren lassen, wenn es beim ersten Mal nicht klappt.
Noch ein Wort zu Berufungsverfahren
Berufungsverfahren dauern. Richtig lange. Es beginnt damit, dass eine Berufungskommission gebildet wird. Dann wird der Ausschreibungstext abgestimmt. Dann wird ausgeschrieben. Dann kommt oft das Semester dazwischen. Dann das Vorsingen. Dann wird eine Liste erstellt. Platz 1 wird informiert, es wird verhandelt, eventuell wird abgesagt. Dann rückt Platz 2 nach – oder die Liste läuft leer und alles beginnt von vorn.
👉 Vom Tag der Ausschreibung bis zum Amtsantritt können locker zwei Jahre vergehen.
Das heißt: Wenn du heute denkst, du bist noch nicht so weit – denk in zwei Jahren. Ich bin ziemlich sicher, dass du dann sehr wohl bereit sein könntest. Du musst also jetzt noch nicht perfekt sein – aber du darfst anfangen, dich zu positionieren.
Was ist diese ominöse „Synopse“?
Die Synopse ist ein tabellarischer Vergleich aller Bewerber:innen in einem Berufungsverfahren – sehr verkürzt, sehr formalisiert, sehr entscheidungsrelevant.
Typische Inhalte sind:
- Anzahl und Qualität der Publikationen (Impactfaktor, H-Index etc.)
- Drittmittel (eingeworben oder mitbeantragt)
- Buchkapitel, Monografien
- Lehr- und Prüfungserfahrung
- Internationalität und Transferleistungen
Nicht jede Uni gewichtet gleich, nicht jedes Fach tickt gleich – aber du solltest wissen, dass es diese tabellarische Gegenüberstellung gibt. Und: Du kannst deinen CV so gestalten, dass er in dieser Logik „lesbar“ wird.
Zum Beispiel: Dir fehlt ein Buchkapitel? Frag in deinem Netzwerk nach einer Co-Autorenschaft. Dir fehlt ein Drittmittelantrag, den du alleine gestellt hast? Fang mit kleineren Formaten an oder nutze das DFG-Erstmittelprogramm (wenn du es noch nicht ausgeschöpft hast).
Es geht nicht darum, überall zu glänzen – aber du solltest überall etwas stehen haben. Das kann schon den Unterschied machen.
Behalte passende Ausschreibungen im Blick
Ein weiteres Thema, das viele unterschätzen: Wie erfahre ich eigentlich, dass eine Professur ausgeschrieben ist, die zu mir passt?
Hier ein paar Wege:
- Newsletter des Deutschen Hochschulverbands
(kostenpflichtig, aber schon als assoziiertes Mitglied verfügbar) - FIT für die Wissenschaft
(ebenfalls kostenpflichtig – aber manchmal über die Uni abrufbar) - Stellenmarkt der ZEIT, Fachgesellschaften, Netzwerke
Klar kannst du auch über persönliche Kontakte und Netzwerke viel erfahren. Aber: Fang früh an. Vielleicht dauert es 12 oder 18 Monate, bis dein Thema überhaupt mal ausgeschrieben wird. Da willst du dann bereit sein – und nicht den Bewerbungsstart verpassen.
Mach dich sichtbar – strategisch und mit Freude
Wenn du dich auf eine Professur vorbereiten willst, geht’s nicht nur um Publikationen und Drittmittel. Es geht auch um:
- Eigenständigkeit: Was hast du auf den Weg gebracht?
- Kooperationsprojekte: Am besten unabhängig von deiner Betreuerin oder deinem Betreuer.
- Transfer und Wirkung: Was geht über die Wissenschaft hinaus?
- Fachliche Sichtbarkeit:
- Auf Konferenzen einen Vortrag halten?
- Eine Session chairen?
- Vielleicht sogar eine Keynote?
- Fachpolitik und Gremienarbeit: Mach dich in deiner Community sichtbar.
Kleiner Pro-Tipp: Denk wie eine Selbstständige. Was für Solopreneure das Marketing ist, ist für dich die Sichtbarkeit in deiner Fachcommunity. Mach dich zu einem Namen.
Und nicht zuletzt: Achte auf dich
Diese Reise kann intensiv sein – und du darfst regelmäßig innehalten.
Stell dir ehrlich die Frage:
Was sind meine inneren Hürden?
- Gibt es Glaubenssätze, die dich blockieren?
(„Ich bin nicht gut genug.“ „Ich habe doch keine Chance gegen die anderen.“) - Oder vielleicht haben sich deine Ziele einfach verändert?
Du willst gar keine Professur mehr – und das ist okay.
Dann darfst du den Kurs jederzeit ändern. Vielleicht passt der Einstieg in die Wirtschaft besser zu dir. Oder in die Praxis. Vielleicht willst du dein eigenes Ding machen. Alles legitim.
Du bist nicht gescheitert, wenn du dich umentscheidest – du bist reflektiert.
Fazit: Fang früher an, als du denkst
Eine akademische Karriere braucht Strategie, Zeit und ein gutes Gespür für Spielregeln. Aber vor allem braucht sie: deinen Mut, dich ernsthaft damit auseinanderzusetzen – bevor es zu spät ist.
Also:
- Positioniere dich frühzeitig.
- Überlege, welche Stellschrauben du schon heute in die Hand nehmen kannst:
Erste Anträge, eigenständige Projekte, deine Sichtbarkeit, dein Name. - Sei aufmerksam für passende Ausschreibungen – und schmeiß deinen Hut in den Ring.
Ich wünsche dir dabei viel Erfolg und Mut. 💪
Und wenn du Beratung an deiner Seite brauchst – du weißt, wo du mich findest.
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